Untersuchungen zur Mikrostruktur-Eigenschafts-Beziehung einer neuartigen Automaten-Titanlegierung

253 ZN

Bild Forschungsprojekt
Laufzeit: 01.04.2007 - 31.12.2009 
Partner: Prof. Dr. J. Rösler TU Braunschweig
Geldgeber: AiF
Bearbeiter: Dr. Sigrid Benfer
Arbeitsgruppe: Korrosion

Projektziel

Im Rahmen des AIF-Forschungsprojektes sollen neuartige, Lanthan-haltige Titanlegierungen, welche am Institut für Werkstoffe der Technischen Universität Braunschweig entwickelt wurden und die sich durch leichte spanende Bearbeitbarkeit auszeichnen, umfassend hinsichtlich ihrer Mikrostrukturentwicklung bei thermo-mechanischer Behandlung und den daraus resultierenden mechanischen Eigenschaften sowie des Verhaltens in korrosiven Medien untersucht werden. Dabei soll durch interdisziplinäre Kooperation von Metallkundlern und Korrosionsfachleuten insbesondere aufgeklärt werden, welchen Einfluss die zur Verbesserung der Bearbeitbarkeit eingesetzten Elemente (hier: Lanthan) hinsichtlich Umwandlungsverhalten, mechanischem Verhalten und der Korosionsbeständigkeit ausüben. Ein grundlegendes Verständnis dieser Zusammenhänge ist Voraussetzung für den Einsatz dieser neuen Legierungen bei technisch anspruchsvollen Anwendungen, wie z.B. in der chemischen Technik oder der Sanitärbranche.

Vorgehensweise

Die Herstellung und die Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften der neuen Legierungen erfolgt beim Projektpartner. Dort werden auch die thermo-mechanischen Behandlungen der Proben durchgeführt. Am KWI werden alle Legierungen im gegossenen und auch umgeformten Zustand auf ihre Korrosionseigenschaften hin untersucht. Dabei wird versucht, eine Beziehung zwischen der ausgebildeten Mikrostruktur und den Eigenschaften der Legierungen herzustellen.

Ergebnisse

Gefüge und mechanische Kennwerte Die Zugabe von Lanthan zur Standardlegierung Ti6Al4V resultiert in der Bildung metallischer Lanthanpartikel, welche sich vornehmlich auf den Korngrenzen befinden. Mit steigendem Lanthangehalt verbinden sich die Partikel zunehmend zu bänder- bzw. plattenförmigen Ausscheidungen, weshalb vorrangig die Legierungen mit 0,9 und 1,5% Lanthan für eine industrielle Nutzung geeignet wären. Die lanthanhaltigen Legierungen weisen nach dem Guss martensitische Gefüge auf, welche sich nach der thermo-mechanischen Behandlung (Rundhämmern oder Stauchversuch) in grobzeilige lamellare bzw. Widmannstätten-Gefüge umwandeln. Eine teilweise Umwandlung in ein Duplexgefüge konnte durch eine Wärmebehandlung bei 940°C (30 min) im Anschluss an eine starke Umformung im Stauchversuch erzielt werden. Es kommt dabei zur Einformung einzelner α-Lamellen. Für eine Herstellung unter Industriebedingungen ist daher ein hoher Umformgrad (0,9 oder höher) nötig. Die Korngröße der lanthanhaltigen Legierungen nimmt bis 1100°C kaum zu. Gründe hierfür sind die Lanthanpartikel, welche die Korngrenzen und das bis zu hohen Temperaturen vorliegende zweiphasige Gefüge stabilisieren. Je größer der Lanthangehalt, desto kleiner ist die Korngröße. Die verringerte Korngröße führt zu etwas höherer Festigkeit im Zugversuch, gleichzeitig ist die Duktilität gegenüber der Standardlegierung durch die Partikel auf den Korngrenzen herabgesetzt. Die Duktilität sinkt mit steigendem Lanthangehalt ab. Für die Legierung Ti6Al4V1,5La wurden verschiedene Wärmebehandlungen unternommen, um den Einfluss auf die Bruchdehnung zu ermitteln. Es konnte keine Abhängigkeit festgestellt werden. Die Legierung mit 0,9% Lanthan wurde unter Instituts- und industriellen Bedingungen hergestellt und es zeigt sich eine Verbesserung der Bruchdehnung von 7,7% auf 10,5% (prozessbedingt verschiedene Parameter). Der Einfluss der Wärmebehandlung nach der Umformung mittels Rundhämmern hat nur einen geringen Einfluss auf die Höhe der Zugfestigkeit. Für die Legierung mit 0,9% Lanthan ist diese bei einer Umformung bei 950°C etwas höher, vermutlich aufgrund leicht verminderter Korngröße. Die Legierung Ti6Al4V1,5La kann bei 950°C nicht umgeformt werden, da aufgrund der höheren Anzahl an Lanthanpartikeln Risse auf den Korngrenzen auftreten. Hier muss eine höhere Temperatur (1020°C) gewählt werden. Zugversuche unter erhöhten Temperaturen zeigen eine deutlich verminderte Bruchdehnung bei 500 und 600°C. Der hierbei vorliegende Versprödungsmechanismus konnte nicht abschließend geklärt werden. Eine Diffusion von Lanthan in Korngrenzbereiche kann jedoch ausgeschlossen werden. Die Dauerfestigkeit im LCF-Versuch wird durch den Zusatz von 0,9% Lanthan im Vergleich zur Standardlegierung nur um 10% auf 550 MPa erniedrigt. Die Untersuchung der Zerspanbarkeit und des Schneidenverschleißes zeigt zunächst, dass sich für die lanthanhaltigen Legierungen ein segmentierter Bröckelspan ausbildet, während bei der Zerspanung der Standardlegierung lange Wickelspäne entstehen. Die rasterelektronen-mikroskopische Betrachtung der Schneiden ergab einen starken Abtrag von Schneidenmaterial für die Legierung mit 0,9% Lanthan nach 1600 mm Schneidweg, während die Standardlegierung eine Aufbauschneide bildete. Die Legierung Ti6Al4V0,9La konnte unter industriellen Bedingungen hergestellt werden. Das beste Ergebnis konnte nach mehrmaligem Umschmelzen im VAR-Ofen und anschließen-dem Strangpressen des Ingots erzielt werden. Das dabei entstandene Stangenmaterial wurde für die Herstellung von Musterbauteilen genutzt. Es zeigten sich im Vergleich zur Standardlegierung kürzere Fertigungszeiten für die lanthanhaltige Legierung bei einer zum Teil höheren Oberflächenqualität. Die Fertigungstoleranzen konnten problemlos eingehalten werden.

Korrosionsuntersuchungen Die neuen Automatentitanlegierungen wurden sowohl in gegossenem als auch in gestauchtem Zustand hinsichtlich ihrer Korrosionseigenschaften untersucht und mit der Standardlegierung Ti6Al4V verglichen. Dazu wurden elektrochemische Untersuchungen und Auslagerungs-versuche in verschiedenen Medien durchgeführt. In den Stromdichte-Potentialkurven, die in rein chloridhaltigen Elektrolyten (1,5%ige NaCl-Lösung und 10%ige CaCl2-Lösung) gemessen wurden, zeigten die neuen lanthanhaltigen Legierungen in der Nähe des Ruhepotentials einen Aktiv-Passiv-Übergang, der bei der lanthanfreien Standardlegierung Ti6Al4V nicht auftrat. Dieser Übergang wurde daher der Auflösung von Lanthan zugeordnet, was sowohl durch entsprechende analytische Untersuchungen der Elektrolytlösung nach Messung einer Stromdichte-Potentialkurve (Nachweis von gelöstem La) als auch durch REM-Untersuchungen nach Auslagerungsversuchen (Herauslösung von La-Partikeln aus der Oberfläche) bestätigt werden konnte. In künstlichem Speichel verhielten sich alle Legierungen (Standardlegierung und lanthanhaltige Legierungen) ähnlich. Es wurde kein Aktiv-Passiv-Übergang in den Stromdichte-Potentialkurven beobachtet und so blieben die Lanthan-Partikel in der Oberfläche auch nach der Auslagerung erhalten. Im künstlichen Speichel bildete sich eine Phosphatschicht auf der Oberfläche aus, die auch für die deutliche Verschiebung des Ruhepotentials verantwortlich ist. Das Verhalten ändert sich, wenn Fluorid-Ionen anwesend sind. Der Anstieg des Ruhepotentials mit der Zeit bleibt aus und die Stromdichten sind deutlich höher als in dem Elektrolyt ohne Fluoridzusatz. Der korrosive Angriff durch das Fluorid spiegelt sich auch in entsprechenden Impedanzkurven wieder und kann durch REM-Untersuchungen an korrodierten Proben nachgewiesen werden. Dabei zeigte die Standardlegierung Ti6Al4V einen gleichmäßigen Flächenangriff, während bei den neuen lanthanhaltigen Legierungen die La-Partikel zum Teil herausgelöst wurden bzw. schwerlösliche Lanthanfluoride bildeten, die in den Poren zurückblieben. Den stärksten Angriff bei allen Proben zeigte die 0,25 molare Schwefelsäure. Hier wurde das Lanthan an der Oberfläche vollständig herausgelöst. Auch die Standardlegierung (Ti6Al4V) wies eine stark geätzte Oberfläche auf. Alle Legierungen zeigten in den Stromdichte-Potentialkurven einen Aktiv-Passiv-Übergang nahe des Ruhepotentials und die Korrosionsstromdichten am Ruhepotential lagen noch über denen in künstlichem Speichel mit NaF-Zusatz. Impedanzserienmessungen in 10%iger CaCl2-Lösung zeigten, dass die lanthanhaltigen Legierungen zunächst bei niedrigen Frequenzen einen deutlich geringeren Phasenwinkel und niedrigere Impedanzwerte als die Standardlegierung aufwiesen. Mit der Zeit glichen sich die Werte - und damit die Korrosionseigenschaften - jedoch denen der Vergleichslegierung an. Dies kann folgendermaßen erklärt werden. Zunächst befinden sich an der Oberfläche frei zugängliche Lanthanpartikel, die sich aufgrund ihrer geringen Korrosionsbeständigkeit auflösen. Dadurch bleibt an der Oberfläche eine Legierungszusammensetzung übrig, die in etwa der Standardlegierung entspricht und damit auch ein gleichartiges Korrosionsverhalten zeigt. Bei den Auslagerungsversuchen in den unterschiedlichen Medien verhielten sich die gegossenen und gestauchten Legierungen sehr ähnlich. Vor allem bei der Standardlegierung Ti6Al4V konnten jedoch Unterschiede im "Angriffsmuster" festgestellt werden. Während bei der gegossenen Legierung ein gleichmäßiges Aufrauen der Oberfläche beobachtet wurde, zeigte die gestauchte Legierung ein terrassenförmiges Muster. Auch bei den lanthanhaltigen Proben weist die Matrix, in der die Lanthanpartikel eingebettet sind, solch ein Muster auf. Diese Muster - vor allem nach Angriff der Schwefelsäure - erinnern sehr an die Gefüge-strukturen der Legierungen. Die Gusslegierungen bilden ein feinnadeliges Martensitgefüge aus, während die umgeformten Legierungen ein Widmannstätten-Gefüge besitzen, welches sich durch breitere α-Lamellen auszeichnet. Zur näheren Charakterisierung der lokalen Korrosionseigenschaften wurde die Rasterkelvinsonden-Kraftmikroskopie (SKPFM) einge-setzt. Mit ihrer Hilfe konnten lokale Oberflächenpotentialunterschiede für die verschiedenen Legierungen gemessen werden. Es zeigte sich, dass die Lanthanpartikel ein deutlich negativeres Potential besitzen als die umgebende Matrix, was die deutlich geringere Korrosionsbeständigkeit erklärt. Innerhalb der Matrix wurden für die α-Phase negativere Werte gemessen als für die β-Phase, was auf eine geringere Korrosionsstabilität der α-Phase hindeutet. Um den Einfluss der Korrosion auf das mechanische Verhalten der Legierungen zu untersuchen, wurden LCF-Proben der Standardlegierung und der neuen Automaten-titanlegierung Ti6Al4V0.9La in verschiedenen Medien ausgelagert und erst anschließend dem Langzeitstabilitätstest unterzogen. Insbesondere die Proben der Legierung Ti6Al4V0.9La, die in künstlichem Speichel mit NaF und in Schwefelsäure ausgelagert wurden, versagten nach geringerer Testdauer. Die Standardlegierung zeigte unabhängig vom Auslagerungsmedium für alle Proben die gleichen Festigkeitsmerkmale wie eine nicht ausgelagerte Probe. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass schon eine geringe Kerbenbildung, wie sie durch das Herauslösen von Lanthanpartikeln und fortschreitende Korrosion entlang der Korngrenzen auftreten kann, starke Auswirkungen auf die Ermüdungsfestigkeit haben kann. Ein gleichmäßiger Flächenangriff wie im Fall der Standardlegierung Ti6Al4V ist dagegen weniger kritisch. Zum Abschluss des Projektes wurde die Korrosionsbeständigkeit von kleinen Bauteilen, welche aus der Standardlegierung und der unter industriellen Bedingungen hergestellten neuen Automatentitanlegierung gefertigt wurden, untersucht. Die Auslagerung erfolgte für 3 Wochen in künstlichem Meerwasser. Alle Bauteile zeigten eine gute Beständigkeit. Es konnte weder eine optische Veränderung der Proben noch ein Gewichtsverlust festgestellt werden.

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Das IGF-Vorhaben Nr. 253 ZN der Forschungsvereinigung DECHEMA e.V., Theodor-Heuss-Allee 25, 60486 Frankfurt am Main wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Kontakt
Dr. Sigrid Benfer
Telefon: 069 / 75 64-382
E-Mail: benfer

   

Publikationen
S. Benfer, C. Siemers, P. Jencus, J. Rösler, W. Fürbeth
Proc. Eurocorr 2008, Edinburgh (2008), CD, Paper 1115
S. Benfer, C. Siemers,  J. Rösler, W. Fürbeth
ECS Transactions 25(37) (2010) 3-15

Abschlussbericht (ca. 8 MB)
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