Abseits der Regel: Terpene mit ungewöhnlichen Kohlenstoffgerüsten

Bild Forschungsprojekt

Die Stoffgruppe der Terpene, die auch oft als Isoprenoide bezeichnet werden, umfasst mehr als 70.000 bekannte Substanzen. Viele davon und vor allem deren Gerüche oder Geschmäcker kennen wir aus der Natur, wie das Citrus-Duft vermittelnde Limonen, das Pinen mit dem typischen Nadelwald-Geruch, oder auch Nootkaton als den charakteristischen Aromastoff der Grapefruit. Neben Polyisopren, dem Naturkautschuk, finden sich mit z. B. dem Anti-Krebsmittel Taxol und dem gegen Malaria wirkenden Artemisinin auch viele andere für Menschen unentbehrliche Moleküle unter den Terpenen.

Obwohl diese Substanzgruppe Forscher seit jeher durch ihre Substanzvielfalt begeistert, werden alle ihre Vertreter in der Natur aus nur zwei zellulären Diphosphat-haltigen Grundbausteinen mit jeweils 5 Kohlenstoff-Atomen aufgebaut: IPP und DMAPP. Diese können von bestimmten Enzymen zu längeren Ketten verknüpft und letztlich zu sehr unterschiedlichen Strukturen umgewandelt werden, deren Kohlenstoff-Anzahl aber grundsätzlich immer ein Vielfaches von 5 ist. Diese Gesetzmäßigkeit wurde von dem deutschen Chemie-Nobelpreisträger Otto Wallach schon vor mehr als 120 Jahren erkannt und 1953 von dem kroatisch-schweizerischen Chemie-Nobelpreisträger Leopold Ružicka in der sogenannten (biogenetischen) Isopren-Regel festgehalten. Die Regel beinhaltete zwar auch die Möglichkeit weiterer Veränderungen der Kohlenstoffgerüste aus 5, 10, 15, 20 oder generell n x 5 C-Atomen durch nachträgliche Acetylierungen oder andere enzymatische Modifikationen, begründete aber auch das Dogma des zellulären Repertoires von Isoprenoid-Diphosphat-»Grundbausteinen« mit ausschließlich 5, 10, 15 oder 20 C-Atomen.

Dieses Lehrbuchwissen geriet ins Wanken, nachdem vor etwa 10 Jahren der Biosyntheseweg von 2-Methylisoborneol aufgeklärt wurde (Dickschat et al, 2007; Komatsu et al, 2008; Wang und Cane, 2008). Dabei zeigte sich, dass in Zellen bestimmter Mikroorganismen ein weiterer Diphosphat-Baustein existiert, der überraschenderweise 11 C-Atome aufweist. Er entsteht aus dem 10 C-Atome enthaltenden GPP durch eine Methylierung am C2, die durch das Enzym GPP-Methyltransferase katalysiert wird. Das so entstandene 2-Methyl-GPP bildet den Ausgangspunkt für die Bildung des unangenehm riechenden 2-Methylisoborneol. Aus dem Substrat können darüber hinaus durch enzymatisch katalysierte Reaktionen aber auch eine Vielzahl weiterer kaum oder gar nicht untersuchter C11-Terpene hergestellt werden. In der Natur kommen diese von Bakterien produzierten Substanzen, anders als die Terpene in Pflanzenölen, nur in winzigen Mengen vor und waren deshalb größtenteils nicht bekannt. Das DFI hat zusammen mit Chemikern der Universität Bonn kürzlich die biotechnologische Synthese von Dutzenden zuvor unbekannter C11-Substanzen demonstriert, die die Erweiterung des denkbaren Strukturraums von Terpenen bereits eindrucksvoll demonstrieren (Kschowak et al, 2018).

Darüber hinaus haben die Wissenschaftler am DFI inzwischen weitere enzymatisch katalysierte Methylierungsreaktionen für Isoprenoid-Diphosphate entdeckt und somit das Repertoire an Terpen-Bausteinen deutlich erweitern können. Wurden diese neuartigen Bausteine mit Terpen-Biosynthesewegen kombiniert, die eigentlich die »normalen« C5-, C10-, C15- und C20 Isoprenoid-Diphosphate verwenden, wurden die ungewöhnlichen Substrate überraschenderweise meist in Produkte umgesetzt. Bei dem Großteil der entstandenen Verbindungen handelt es sich um bisher nicht bekannte Substanzen, da sie entweder nur in sehr geringen Mengen oder gar nicht in der Natur vorkommen. Gefördert wurden diese Arbeiten bisher vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (FKZ 22008713). Das DFI wird die weitere Erforschung der jetzt entdeckten Möglichkeiten für die Synthese von bisher biotechnologisch nicht zugänglichen Substanzen mit Hochschul- und Industrie-Partnern vorantreiben. Die naheliegendste Möglichkeit zur Anwendung der Technologie sehen die Wissenschaftler dabei in der Synthese von methylierten Derivaten bekannter Pharma- oder Riechstoffe, um auf diese Weise veränderte Bioaktivitäten oder Geruchseigenschaften zu kreieren.

 

Literatur:

O. Wallach Zur Kenntniss der Terpene und der ätherischen Öle; Fünfte Abhandlung. Justus Liebigs Ann Chem. 1887; 239: 1-54 

L. RuzÏicka The isoprene rule and the biogenesis of terpenic compounds. Experientia. 1953; 9: 357-367

J.S. Dickschat,T. Nawrath, V. Thiel, B. Kunze, R. Mueller, S. Schulz Biosynthesis of the off-flavor 2-methylisoborneol by the myxobacterium Nannocystis exedens. Angew Chem Int Ed. 2007; 46: 8287-8290

 M.Komatsu, M. Tsuda, S. Omura, H. Oikawa, H. Ikeda Identification and functional analysis of genes controlling biosynthesis of 2-methylisoborneol. Proc Natl Acad Sci. 2008; 105: 7422-7427

C.-M. Wang, D. E. Cane Biochemistry and molecular genetics of the biosynthesis of the earthy odorant methylisoborneol in Streptomyces coelicolor. J Am Chem Soc. 2008; 130: 8908-8909

 M. J. Kschowak, H. Wortmann, J. S. Dickschat, J. Schrader, M. Buchhaupt Heterologous expression of 2-methylisoborneol / 2 methylenebornane biosynthesis genes in Escherichia coli yields novel C11-terpenes. 2018; PLoS ONE 13(4): e0196082. doi.org/10.1371/journal.pone.0196082

Dr. Markus Buchhaupt

Bildquelle(n):Dr. Markus Buchhaupt, DECHEMA-Forschungsinstitut

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