Erdverlegte Rohrleitungen für z. B. den Transport von Erdgas werden üblicherweise durch eine Kombination aus organischer Umhüllung und kathodischem Korrosionsschutz vor einem Korrosionsangriff geschützt. Trotz jahrzehntelanger Erfahrung kommt es jedoch immer wieder zu Korrosionsschäden dort, wo Rohrleitungen parallel zu oberirdischen Hochspannungsfernleitungen verlaufen.
Aufgrund der hohen elektrischen Felder wird dabei auf den erdverlegten Rohrleitungen eine Wechselspannung induziert, die dem kathodischen Schutzgleichstrom überlagert ist. Hierdurch kann es zu der sogenannten Wechselstromkorrosion kommen. Diese führt dazu, dass auf kathodisch an sich ausreichend geschützten Rohrleitungen dennoch lokal ein massiver Abtrag auftreten und die Integrität gefährdet sein kann. Dies kann insbesondere bei Gashochdruckleitungen fatale Folgen haben.
Das Phänomen der Wechselstromkorrosion ist grundsätzlich lange bekannt, gewinnt jedoch heute im Zuge der Energiewende, die den Neubau, die Erweiterung oder die Leistungserhöhung von Hochspannungs-Freileitungssystemen erforderlich macht, an zusätzlicher Bedeutung.
Da es üblich ist, Energietrassen mit längerer Parallelführung von Hochspannungsleitungen und erdverlegten Rohrleitungen auszubilden, kommt es zu einer Zunahme der Wechselstrom-Beeinflussung auf den erdverlegten Anlagen. Die Theorien zur Wechselstromkorrosion wurden bisher jedoch auf rein phänomenologischer und thermodynamischer Basis entwickelt. Sie weisen deshalb noch erhebliche Erklärungslücken auf, so dass bis heute kein allgemein anerkanntes Verständnis dieser Spielart der Korrosion vorliegt.
Die bisher abgeleiteten Maßnahmen zum Schutz vor Wechselstromkorrosion können daher nicht auf einem wissenschaftlich gesicherten Fundament aufbauen. Weiterhin sind sie in der Praxis durch die Rohrnetzbetreiber und die ausführenden Unternehmen (vor allem kleine und mittlere Unternehmen) nur schwer umsetzbar, weil die Einhaltung der Schutzkriterien unter Wechselspannungsbelastung oft mit klassischen Schutzmaßnahmen gegen Bodenkorrosion kollidiert.
Daher wurde durch den Fachverband Kathodischer Korrosionsschutz fkks e.V. ein Forschungsvorhaben initiiert und an die Arbeitsgruppe Korrosion am DFI herangetragen, mit dem nun ein fundierteres Modell zur Erklärung aller Mechanismen der Wechselstromkorrosion erarbeitet werden soll. Hierbei soll der Fokus insbesondere auf der Kinetik derartiger Prozesse und den Veränderungen in der Deckschicht auf der kathodisch geschützten Stahloberfläche liegen. Auf der Basis des daraus zu generierenden Modells sollen in Zukunft den Betreibern und Installationsfirmen Maßnahmen zum Schutz kathodisch geschützter Anlagen gegen Wechselstromkorrosion sowie neue Messmethoden zur besseren Erkennung einer evtl. vorliegenden Gefährdung derartiger Anlagen an die Hand gegeben werden können.
Das über die Gesellschaft für Korrosionsschutz e.V. beantragte IGF-Vorhaben 20273N hat am 01. Oktober 2018 begonnen und wird intensiv durch den Fachverband begleitet werden.
Bildquelle(n): iStockphoto (06photo)
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