Praxis für verfahrenstechnische Prozesse
PI(D)-Algorithmen waren und sind auch heute noch oft die Standardlösung für die Regelung von Prozessen. Die Regler werden häufig anhand einfacher nicht-physikalischer Modelle eingestellt, deren Kennwerte aus Sprungantworten ermittelt werden. Es gibt allerdings bessere Identifikationsmetoden, die nicht nur bei sprungartigen Testsignalen funktionieren. Nichtlineare Prozesse, wie ein chemischer Reaktor, können besser geregelt werden, wenn ein physikalisches Modell aufgestellt wird. Unabhängige Regelungen von Mehrgrößenprozessen, wie Rektifikationskolonnen, können Kopplungseffekte, sogar Instabilitäten, aufweisen. Vorausschauende, sogenannte modellbasierte prädiktive Regelungen können Totzeitprobleme überwinden und erstellen automatisch gute Regelungen - auch unter Berücksichtigung von Beschränkungen.
Die Kursteilnehmenden werden anhand eines elektrisch geheizten Wärmeübertragers und eines chemischen Reaktors erfahren, wie man aus physikalischen Bilanzgleichungen ein Prozessmodell aufbaut. Alternativ, wenn sich dies als zu komplex erweist, erfahren Sie, wie man mit der Methode der kleinsten Quadrate ein Näherungsmodell schätzen kann. Anhand des Wärmeübertragers, des chemischen Reaktors und einer Rektifikationskolonne wird gelernt, wie man solche Prozesse und deren Regelung simuliert. Die Teilnehmenden werden in der Lage sein, einzelne Regelgrößen eines Mehrgrößenprozesses, wie der Rektifikationskolonne, unabhängig regeln zu können, d. h. einen Entkopplungsregler zu entwerfen. Sie lernen die Prinzipien der vorausschauenden prädiktiven Regelung kennen, welche Beschränkungen, Probleme bei Totzeiten und gegenseitige Kopplungen behandeln kann. Sie werden selbst in der Lage sein, eine einfache prädiktive Regelung zu programmieren und einen Mehrgrößenregler, wie denjenigen im Prozessleitsystem PCS7 von Siemens, anzuwenden.
Dieses Online-Seminar ist die Fortsetzung des DECHEMA-Weiterbildungskurses Regelungstechnik - Praxis für verfahrenstechnische Prozesse. Im Vorgängerkurs werden experimentelle Modellbildungen anhand sprungartiger Anregung, verschiedene Modifikationen des PI(D)-Reglers, Erweiterungen des einschleifigen Regelkreises sowie die gebräuchlichsten Regelungsstrukturen für Pumpen, Verdichter, Wärmeüberträger, chemische Reaktoren und Rektifikationskolonnen mit R&I-Fließbildern behandelt. Die Teilnahme am Vorgängerseminar ist vorteilhaft, jedoch keine Voraussetzung für das aktuelle Online-Seminar.
PI(D)-Regelung mit zwei Freiheitsgraden wird sowohl für die Sollwertverfolgung als auch für die Störungsunterdrückung entworfen. Ein nichtlineares, dynamisches Modell und eine nichtlineare Regelung werden für einen elektrisch geheizten Wärmeübertrager aufgestellt. Darüber hinaus wird ein chemischer Rührkesselreaktor mit Massen- und Wärmebilanzen beschrieben, simuliert und die Konzentration und die Temperatur geregelt. Die Teilnehmenden erfahren, wie man ein Modell aus nicht sprungartiger Prozessanregung mit der Methode der kleinsten Quadrate identifizieren/schätzen kann. Am Modell einer Rektifikationskolonne wird das Problem der unabhängigen Regelung von Destillat- und Sumpfkonzentration gezeigt und durch eine
Entkopplungsregelung eine Lösung erarbeitet und simuliert. Anschließend werden die Vorteile einer prädiktiven Regelung aufgezeigt, welche mit Totzeitprozessen, Beschränkungen und Kopplungseffekten umgehen werden kann. Eine einfache vorausschauende Regelung wird von den Teilnehmenden selbst programmiert und ihre Vorteile gegenüber einer PI(D)-Regelung dargestellt. Die gelernten Regelungsmethoden werden zusammenfassend durch Simulation und Echtzeitregelung eines Heißluftgenerators mit einem Prozessleitsystem demonstriert.
Prof. Dr.-Ing. Robert Haber
Regelungs- und Prozessleittechnik, Prozessdatenanalyse
Institut für Anlagen- und Verfahrenstechnik, Technische Hochschule Köln
Mitglied des VDI-GMA-Fachausschusses 6.22 „Prozessführung und gehobene Regelungsverfahren"
Autor des Kapitels „Steuern und Regeln von chemischen Reaktoren" in „Handbuch Chemische Reaktoren" (Springer, 2021) und Koautor des Buches "Predictive Control in Process Engineering: From the Basics to the Applications" (Wiley, 2011).
Verfahrenstechniker:innen, Chemieingenieur:innen, Chemiker:innen, Maschinenbauer:innen, Projektleitende der Prozessindustrie, Projektingenieur:innen, MSR-Techniker:innen und MSR-Spezialist:innen
Vortrag, Rechen- und Simulationsübung, Diskussion, Seminarunterlagen.
Prozessanregungen und Regelungen werden mit dem frei erhältlichen, Matlab/Simulink-ähnlichen Programmpaket Scilab/Xcos simuliert. (https://www.scilab.org/download/6.1.1) Die Teilnehmenden erhalten Programmcodes und können das Programm schon während des Seminars anwenden, sofern sie das Programm bereits im Voraus installieren.
inkl. Seminarunterlagen im pdf-Format und digitalem Teilnahmezertifikat
550,- € | |
535,- € | persönliche DECHEMA-Mitglieder |
Rabatte für Studierende/Doktoranden: auf Anfrage
(abhängig von Verfügbarkeit, Studierendenausweis als Nachweis erforderlich)
Vielbucher-Rabatte: auf Anfrage
(bei gleichzeitiger Anmeldung von mehreren Teilnehmenden aus demselben Unternehmen)